Wie schon im vorigen Artikel KPI Vertriebskennzahlen – Beispiele und Erläuterungen geht es auch in unserem letzten Artikel unserer Serie "KPIs für Produktmanager" nochmal um die Vertriebskennzahlen und die Kosten, die der Produktmanager berücksichtigen muss.

Vertriebsmitarbeiter leiden  vor allem in amerikanischen oder börsenorientierten Unternehmen an der „Forecastingwut“ des Managements.
Um den Umsatz seiner Mannschaft oder des gesamten Unternehmens (meist quartalsweise) gut vorhersagen, also forecasten zu können bedarf es Erfahrung, eine entsprechende Anwendung von Key Performance Indikatoren (KPIs) und neben der Kenntnis des Marktes auch eine gute Kenntnis der jeweiligen Mitarbeiter.
Neben nicht wegzudiskutierenden Projekten im Forecast, deren Größe und Gewinnwahrscheinlichkeit sollte man wissen, ob seine Mitarbeiter eher optimistisch und übertreibend forecasten oder pessimistisch im „sand bagging“ Modus unterwegs sind, um nervenden Fragen des Managements aus dem Weg zu gehen.

In großen Vertriebseinheiten habe ich die Erfahrung gemacht, dass erfahrene Finanzchefs den Umsatz weit aus zielgenauer prognostizieren, als die eigenen Vertriebseinheiten.
Warum ist das so?
Sie nehmen Gefühle und Wunschvorstellungen aus den Zahlen heraus und analysieren die wesentlichen Kennzahlen mit den Erfahrungen der Vergangenheit. Ich selbst habe meine Mitarbeiter zwar Ihren Forecast abgeben lassen, aber eher zum Zweck sie daran zu messen, zu fordern und zu fördern, weniger als Grundlage für meinen eigenen Forecast.

Die durchschnittliche Vertriebszyklusdauer oder Average Sales Cycle gibt die Zeitdauer vom Erstkontakt bis zum Vertriebsabschluss an.
Wichtig ist dabei die genaue Definition und Kenntnis des Startzeitpunktes, d.h. welcher Zeitpunkt als Erstkontakt zu Grunde gelegt wird. Wird der Erstkontakt in der Kaltakquise als Startzeitpunkt gewählt oder der Zeitpunkt ab dem das Lead eine entsprechende Qualität hat. Oder ist der Zeitpunkt, ab dem ein Projekt in den Forecast gelangt als Startzeitpunkt gewählt. Letzteres ist in Unternehmen oft der einzige mögliche Zeitpunkt, weil vorher kaum Dokumentationen über den Kunden vorliegen. Sinnvollerweise werden die einzelnen Vertriebsphasen einzeln gemessen und über alle Phasen die Summe gebildet, als Durschnitt über alle Kunden.
Der Average Sales Cycle unterscheidet sich je nach Marktsegmentzugehörigkeit, Größe und Branche der Kunden und selbstverständlich ist er abhängig vom Produkt selbst.

Produktmanager sollten diese Werte sehr genau kennen, denn sofern Umsätze ab einen Zeitpunkt x erwartet werden, müssen Maßnahmen entsprechend der Länge des Vertriebszyklus zuvor gestartet werden.

Der Vertriebstrichter oder Vertriebsfunnel, die Vertriebspipeline, „neudeutsch“ die Sales Pipeline muss wohl verstanden sein und in entsprechende Phasen aufgeteilt werden.
Viele BWL zentrische Modelle nutzen dabei Phasen wie Identifikation, Erstansprache, erster persönlicher Kontakt (zusammenfassend oft als „Hunting“ bezeichnet), Entscheidungsphase, die meist in Unterphasen aufgeteilt ist, wie z.B. Problemidentifikation, Lösungs-, POC (Proof of Concept) Phase oder „technisches Konzept“, Angebotspräsentation, Bestellung, Auftrag gebucht Phasen.
In solchen Modellen werden den Phasen prozentuale Gewinnwahrscheinlichkeiten zugeordnet (5%, 10%, 20%, …), so dass CRM (Customer Relationship Management) Systeme automatisch den Forecast berechnen können. Dies erfolgt, in dem der geschätzte Wert des Auftrages im aktuellen Projekt mit der Wahrscheinlichkeit multipliziert wird und funktioniert gut bei einer großen Anzahl von Deals.
Hat ein Vertriebsmitarbeiter aber nur einen Mega-Deal des Großkunden Y vor der Brust, so wird es ihm kaum gelingen, ein Projekt mit einer Gewinnwahrscheinlichkeit von 40% bei einem Projektwert von 10 Millionen Euro (=4 Mio. EUR prognostizierter Umsatz = Forecast) zu kompensieren, falls dieser eine Deal nicht abgeschlossen wird.
Andere Prognosesysteme nutzen weniger Phasen, hinterlegen dafür aber konkrete Kriterien hinter jede Phase:

  • Sind die Entscheider bekannt und eingebunden?
  • Ist das notwendige Budget verfügbar und freigegeben?
  • Sind die Entscheidungskriterien und Mitbewerber bekannt?
  • Liegt der Entscheidungs- und Einkaufszeitpunkt in einem bestimmten Zeitfenster?
  • Usw.

Egal welches Modell gewählt wird, es sollte konstant über einen langen Zeitraum genutzt werden, um entsprechende Ableitungen, Vorhersagen, Metriken und Maßnahmen treffen zu können und diese über mehrere Jahre hinweg vergleichbar machen zu können.

In der Kaltakquise von Neukunden wird der Begriff Lead verwendet. Dieser bezeichnet einen vorqualifizierten Kontakt eines Endkunden.
Heutzutage muss nicht immer zwingend der finale Entscheider bekannt sein und je nach Komplexität der Lösung werden unterschiedliche Kriterien für einen Lead definiert.
BANT Kriterien, die lange Zeit genutzt wurden, dienen noch der Kategorisierung von Leads.
B = Budget bedeutet, ob der Kunde Budget zur Verfügung hat. Idealerweise erhält man Kenntnis über die Höhe des Budgets.
A = Authority: wurde mit dem Entscheider gesprochen, oder ist zumindest der finale Entscheider bekannt.
N = Need: hat der Kunde einen Bedarf oder ein Problem, das mit den eigenen Produkten und Dienstleistungen gelöst werden kann.
T = Time: liegt der Kaufzeitpunkt bzw. die Umsetzung eines Projektes in einem bestimmten Zeitfenster.
Wir wollen hier nicht näher auf die Relevanz dieser Kriterien eingehen, sondern auf die klassische Entwicklung solcher Leads, da sich daraus Key Performance Indicatoren ableiten.
Eine detaillierte Ausführung zu Leads und entsprechenden Kennzahlen werden im Artikel Marketingkennzahlen – KPI Beispiele und Erläuterungen beschrieben, da die Leadgenerierung in der Regel im Marketing angesiedelt ist.

Eine abgeleitete Kennzahl, die man auch als Marketingkennzahl definieren kann, ist die Umwandlungsrate „Lead zu Projekt“.
Im Folgenden wird das konkrete Projekt als Opportunity bezeichnet.
Eine Opportunity unterscheidet sich im Wesentlichen von einem Lead dadurch, dass sie sehr viel spezifischer, konkreter und vor allem qualifizierter ist. Leads aus der Kaltakquise, z.B. durch TeleSales, Webseitendownloads, Messekontakte, Roadshows, usw. können bei komplexen Lösungen nicht so tief qualifiziert werden, wie es durch den Fachvertrieb erfolgen muss.

Erst nachdem die Anforderungen und Probleme des Kunden zusammen mit dem zeitlichen Horizont gut verstanden wurden, sollte ein Lead in eine Opportunity gewandelt werden. Je nach Produktkomplexität habe ich in meiner Laufbahn Lead/Opportunity Quoten in den Bereichen 3:1 bis 10:1 gesehen. Wobei 3:1, d.h. aus 3 Leads entsteht eine Opportunity, ein sehr guter Wert ist.
Das umgekehrte Verhältnis wird oft als Leadconversion bezeichnet. Im Beispiel 3:1 beträgt die Leadconversion demnach 33,3%, im Beispiel 10:1 somit 10%.

Gehen wir noch einen Schritt zurück und berücksichtigen die Leadquote - offenbart sich das Dilemma „schneller Umsatz“. Die Leadquote entspricht dem Verhältnis Anzahl Leads geteilt durch Anzahl der bearbeiteten Kontakte oder Adressen.

In klassischen Kaltakquise Projekten, d.h. bei der Identifikation von potentiellen Kunden in neuen Segmenten, bei neuen Kontakten, schlicht Adressen von Unternehmen, die bisher noch nie mit dem eigenen Unternehmen in Kontakt standen, sind abhängig vom Unternehmensbrand, der Lösung und dem Wert der Lösung für das Zielsegment, Leadquoten von 3-6% sind bereits ein sehr gutes Ergebnis.

Eine Steigerung darüber hinaus ist meist nur durch eine bessere Zielgruppenvorselektion oder Erhöhung der Adressqualität möglich.

Was bedeutet dies nun für den Produktmanager werden manche Leser fragen?

Die einfache Antwort lautet: hohe Kosten!

Nimmt man das letzte Beispiel als Grundlage: Es gelingt bei der Kaltakquise eine Leadquote von 6% zu erreichen, die Umwandlungsquote Lead zu Opportunity beträgt bei 3:1 oder 33,3%.

Dies bedeutet, dass aus 100 Unternehmen 6 Leads (6% von 100) entstehen und daraus 2 Opportunities (33,3 % von 6).

Um aus zwei Opportunities ein gewonnenes Projekt (gleich Umsatz) zu generieren, müsste demnach die Opportunity Close Rate oder Win Rate bei 50% liegen. Sportlich!

Die Frage für den Produktmanager lautet nun: Wie hoch sind die Kosten für sechs Leads, d.h. zwei Opportunities und folglich einem gewonnenen Projekt? Rechnet sich das genutzte Vertriebs- oder Marketingprogramm?

Dazu benötigt man das nächste KPI, den Average Selling Price, der durchschnittlich erzielte Umsatz pro Projekt oder Neukunde. Sinnvollerweise wird der Average Selling Price über eine hohe Anzahl von Projekten und Zeiträumen ermittelt, um einzelne positive wie negative Ausreißer auszugleichen.

Über eine lange Zeit betrachtet gibt dieses KPI auch sehr gut über die Preisentwicklungen Aufschluss. Wie bei vielen Vertriebs KPIs macht es Sinn, den Average Selling Price nach Segment und Vertriebskanal getrennt voneinander zu ermitteln.

Als Produktmanager sollte man sehr genau wissen, wie teuer die Akquise von Neukunden sein darf, um entsprechende Umsätze zu erzielen, daher zurück zum Beispiel. Der Average Selling Price des Produktes im obigen Beispiel liegt bei 10.000 EUR. Die Win Rate beträgt 50%, Leadconversion hat eine Höhe von 33,3% und die Leadquote beträgt 6%.

Aus den 100 kalten Adressen entsteht ein Umsatz von 10.000 EUR!

Demnach dürfen die Kosten für den Kauf der Adressen, die Bearbeitung aller 100 Adressen nicht höher als 10.000 EUR sein. Die Vertriebskosten für den Abschluss nicht eingerechnet, ebenso wenig die Produktentwicklungskosten usw.!
Wir belassen es der Einfachheit halber bei den Leadkosten, um das Beispiel zu Ende zu führen. Anders gerechnet dürfen also 6 Leads maximal 10.000 EUR kosten, oder ein Lead maximal ca. 1.600 EUR.

Viel zu teuer werden hoffentlich alle sagen. Stimmt, denn keine anderen Kosten wurden berücksichtigt. Dennoch: Kennt der Produktmanager die Kosten pro Lead.
Zu meiner Zeit, als ein Stand auf der CeBIT noch für die meisten Softwareunternehmen verpflichtend war, kosteten CeBIT Leads umgerechnet mindestens 1.600 EUR.
Wird nun zusätzlich noch die Verweildauer in der jeweiligen Opportunity-Phase und die Conversion von Phase zu Phase gemessen, können gute Optimierungen durchgeführt werden.

Wenn beispielsweise in der Abschlussphase, nach erfolgreicher Konzeptphase die meisten Kunden verloren gehen, müssen komplett andere Maßnahmen ergriffen werden, als bei dem Projektverlust von Lead zu Opportunity. Gute CRM Systeme liefern diese Daten automatisch, selbstverständlich nur dann, wenn die Daten auch korrekt eingepflegt werden.

Durch die Betrachtung des Vertriebstrichters lassen sich auch sehr gute Prognosen über den zukünftigen Geschäftsverlauf abgeben und rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen.
Liegt beispielsweise die durchschnittliche Vertriebsdauer bei 9 Monaten, die Umwandlungsrate Opportunity zu gewonnenem Projekt (Win Rate) bei 30%, so kann man bereits 6-10 Monate vorher erkennen, wie sich das Geschäft voraussichtlich entwickeln wird und welche Zusatzmaßnahmen ergriffen werden sollten.

Wie schon Jeff Bezos, CEO von Amazon sagte: „Wenn wir ein gutes Quartal haben liegt es an der Arbeit die wir drei, vier und fünf Jahre vorher geleistet haben. Es liegt nicht daran, dass wir in diesem Quartal gut gearbeitet haben.“

Dem kann ich mich nur anschließen und hoffe die Ausführungen helfen Euch entsprechend vorher gut zu arbeiten, nicht erst im laufenden Quartal!

Zur Übersicht: Artikel und Informationen für Produktmanager

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